Suicide (Selbstmord)

Für die weniger Sprachorientierten unter uns: „Suicide“ ist der englische Begriff für Selbstmord. Hinter diesem Begriff steckt aber auch eine Band und zwar die angeblich erste Synthie Popband der Welt, wobei aus meiner Sicht der Sound eher in Richtung Wave geht.

Wikipedia ordnet den Sound dem Punkrock, New Wave und No Wave zu. Alan Vega und Martin Rev haben in den 70er Jahren einen Sound entwickelt, der noch heute extrem und experimentell wirkt. Aus meiner Sicht vergleichbar mit Bands wie Nitzer Ebb oder …. Ich bin auf die Platte mit dem gleichnamigen Albumnamen gestoßen, weil sie vom Rolling Stone Magazin auf Platz 446 in der Liste der 500 besten Alben aller Zeiten gewählt wurde. Das Cover faszinierte mich und ein erstes Reinhören bei Youtube ebenso. Die Platte zu bekommen war dann nicht so einfach. Ständig vergriffen oder nicht verfügbar. Vor einigen Tagen habe ich dann endlich in einem Plattenladen in Mannheim eine Neuauflage erstanden und war beim Anhören zum einen geblendet vom Rot des Vinyls und zum anderen vom erschütternden, extremen und verstörenden, aber auch faszinierenden Sound.

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Aussage meiner Frau: „Der Sound passt zum Namen…“ Mir wurde beim Hören bewusst, dass ich wirklich auf dem Weg der Besserung bin, da mir der Sound nichts ausmachte. Im Winter, zu Beginn meiner extremen Phase der psychischen Erkrankung hätte der Sound mir bestimmt nicht gut getan. Ich stand zwar nie wirklich kurz davor den letzten Ausweg zu wählen aber der Gedanke war oft vorhanden. Das kann ich leider nicht leugnen. Die anteilige Depression in der Frühphase war zu präsent. Daher habe ich beschlossen mich einmal mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Ich wollte herausfinden, was in unserer heutigen Zeit über die zahlreichen und einflussreichen medialen Kanäle zum Thema Selbstmord vermittelt wird.

In diesem Zusammenhang kommen wir auf das Thema Selbstmord oder Suizide als Begriffe und dem englischen Wort Suicide zu sprechen. Den ersten Schritt den man wählt, ist die Suche im Internet und hier hat Google als führende Suchmaschine den größten Einfluss, denn Google entscheidet durch seine Suchalgorithmen, was auf den ersten Plätzen angezeigt wird, sowohl bei Texten als auch bei Bildern. Suizid als Begriff kommt aus dem Lateinischen suicidium, aus sui „seiner [selbst]“, und caedere „(er)schlagen, töten, morden. Beim deutschen Begriff Selbstmord erscheint glücklicherweise an erster Stelle zumindest aktuell die Hotline der Telefonseelsorge. Beim englischen Begriff Suicide dagegen erscheint der Wikipedia-Eintrag zur oben genannten Band Suicide. Daher auch mein Bezug. Kann man das jetzt als positiv betrachten? Je nachdem in welchem Zusammenhang ich nach diesem Begriff suche. Bin ich auf der Suche nach Methoden der Selbsttötung oder will ich nur über das Thema mehr erfahren. Die deutschen Begriffe, und das erschüttert mich wirklich, bieten unten am Ende der Seite „Verwandte Suchanfragen zu Selbstmord“, die überwiegend kontraproduktiv erscheinen. Ich sehe das zumindest so.

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„Selbstmordanleitung“ oder „Selbstmord schmerzlos“ sind nicht wirklich gesellschaftsfördernd. Steht ein Unternehmen wie Google und auch die Politik der Länder nicht in der Verantwortung Selbstmord zu vermeiden und wäre es daher nicht angebracht Suchbegriffe in die positive Richtung zu führen und zwar ausschließlich? Stehen wir nicht alle in der Verantwortung Menschen zu helfen, die selbstmordgefährdet sind? Google zeigt die Ergebnisse basierend auf der sogenannten Linkpopularität an. Das ist nur einer der Faktoren, die auf das Ergebnis der Suche Auswirkung haben. Verlinkungen, Begriffe im Dokumententitel oder auch Relevanz und der Standort des Suchenden spielen eine Rolle. Natürlich erscheinen auch die Nachrichten der bekannten und dafür zahlenden Medienpräsenzen in der Liste aber auch dubiose Links, die einen Selbsttest anbieten. Wechselt man in die Ansicht Bilder, wird der Eindruck der visuellen Komponente auf den Suchenden nicht wirklich positiver. Abschiedsbriefe, eine Piktogrammansicht der verschiedenen Methoden sich das Leben zu nehmen, Fallbeispiele aus den Medien, humorvolle Darstellungen und Sprüche jeglicher Art. Der gesamtvisuelle Eindruck ist düster wie das Plattencover mancher Gothik- oder Dark Wave Band.

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Dunkle Farben, Rot und Blau dominieren. Was die Medien heute über ihre Kanäle übermitteln, landet beim Empfänger und hinterlässt Eindrücke, die in Abhängigkeit vom Gemütszustand und vom Charakter der Person ihre Spuren hinterlassen können. Welchen Einfluss aber hat das Internet auf die Selbstmordrate einer Gesellschaft? Ein Frage, die von zu vielen Faktoren heute beeinflusst wird, als dass man diese hier erörtern könnte und sollte, denn nicht nur die Suche über Google spielt hier eine Rolle, sondern auch Social Media, der berufliche Faktor und der damit verbundene Druck auf den Menschen, die Möglichkeiten, die Reichweite und die Nutzung im Allgemeinen. Jeder Sender und Empfänger hat ein bestimmtes Nutzerverhalten und daraus resultiert ein Einfluss. Hinzu kommen Faktoren wie gesellschaftliche Integration, Herkunft, Religion, Alter oder Bildung. Alles zusammen wird wohl eine Doktorarbeit sein, der sich ein Psychologe widmen kann oder schon gewidmet hat. Einige Tatsachen habe mich allerdings bei meiner Suche wirklich erschüttert. Hier eine Auswahl:

 

Fakten zum Thema Selbstmord:

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  • Alle 40 Sekunden nimmt sich ein Mensch das Leben
  • Weltweit nehmen sich jährlich 800.000 Menschen das Leben
  • In einkommensstarken Ländern wie Deutschland nehmen sich etwa dreimal so viele Männer wie Frauen das Leben.
  • Im Jahr 2013 nahmen sich mehr als 10.000 Menschen allein in Deutschland das Leben. Im Jahr 1980 waren es über 18.000. Die Zahl nahm dann stetig ab bis etwa 2006 und nimmt seit dem wieder etwas zu.
  • In Südkorea hat die Selbstmordrate zwischen 1995 und 2009 um 153% zugenommen. In Chile sind es 54% und in Japan knapp 38%
  • In der Altersgruppe der Fünfzehn- bis Vierundvierzigjährigen ist der Suizid inzwischen eine der drei häufigsten Todesursachen, bei den Zehn- bis Vierundzwanzigjährigen sogar die zweithäufigste Todesursache.
  • Noch immer sterben doppelt so viele Menschen durch Selbsttötung als durch Verkehrsunfälle

 

 

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Die Top Five der Suizidmethoden in Deutschland zwischen 2011 und 2013 jeweils pro Jahr

  • Platz 1: Erhängen, Strangulieren oder Ersticken: Über 4000 Fälle
  • Platz 2: Sturz in die Tiefe: über 900
  • Platz 3: Arzneimittel, Drogen oder andere Substanzen: Über 800 Fälle
  • Platz 4: Sich überfahren lassen (Zug etc.): Um die 700 Fälle
  • Platz 5: Sonstige Methoden
  • Es folgen Methoden wie Feuer, Schusswaffen, Ertrinken oder Explosivstoffe

Die Ursachen für Suizid sind sehr unterschiedlich aber man geht davon aus, dass die häufigsten Fälle psychischen Ursprungs sind. Allerdings lässt sich diese These nur bedingt nachweisen und deuten, da die Ursache oft erst nach dem Suizid ermittelt wird und auf Basis der Angaben von Freunden und Verwandten. Genannte Gründe sind oft Naturkatastrophen, Diskriminierung, (sexuelle) Gewalt, Drogenabhängigkeit, Existenzängste, chronische Schmerzen oder Probleme mit Freunden oder in der Familie.

2009 nahm sich der Nationaltorwart Robert Enke das Leben, indem er vor einen fahrenden Zug sprang (in unserer Sprache fast schon sarkastisch genannt „Schienensuizid“). Als Fußballspieler stand er in der Öffentlichkeit wie nur wenige Sportler und musste dem Druck der Medien, der Fans und des Sports Stand halten. Wie sich herausstellte litt Enke an einer Depression, die schlussendlich zum seinem Tod führte. War der Druck, der auf ihm lastete zu groß? War es der durch einen Herzfehler bedingte Tod seiner zweijährigen Tochter? War es die Überforderung durch das gesellschaftliche und mediale Interesse? War es eine Kombination aus allem und sind wir, der Verein, die Medien und die Fans am Ende Schuld an seinem Tod? Gab es für ihn keinen anderen Weg?

Robert Enke hat durch seinen Tod ein gesellschaftliches Interesse am Thema Depression ausgelöst. Sich Outen wurde anerkannter, so dass auch der Fußballer Andreas Biermann bekannt gab, aufgrund einer Depression in Behandlung zu sein. Auch er nahm sich einige Zeit später das Leben. War es hier zu spät zu helfen statt zu be- oder gar verurteilen? Wenn Menschen sich angewöhnen würden sensibler, mit offenen Augen und mit mehr Vorsicht an andere heranzutreten – würde dann die Selbstmordrate zurückgehen? Gerade Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, ertragen einen enormen Druck, der sie im schlimmsten Fall komplett erdrückt. Es liegt an uns, wie wir miteinander direkt oder indirekt umgehen. Worte, Gesten oder Missachtung schmerzen immer. Ganz gleich, ob sie im direkten Dialog übermittelt werden, digital oder über mediale Kanäle. In allen Fällen reicht es aus, dass die Person zu den emotionalen Menschen gehört und am Ende extremes Leid erfährt.

Wir alle, die wir eine psychische Erkrankung erleiden müssen oder mussten, ganz gleich, wie extrem sie sein mag, können auf die Dinge aufmerksam machen. Andere aufwecken, unsere Erfahrung weitergeben und auch helfen. Helfen dadurch, dass wir lernen zu kämpfen, festzuhalten an den Dingen, die uns lieb sind und die es wert sind zu lieben. Mich hat es im Verhältnis nicht hart getroffen. Ich bin Ende 30, habe eine Angststörung mit körperlichen Beschwerden aber ich habe Mut, Entschlossenheit und Geduld aufgebaut, um weiterzumachen. Es geht mir verhältnismäßig gut. Ich möchte anderen helfen, die Hilfe benötigen und werde in naher Zukunft Wege aufbauen, dies zu ermöglichen. Ich sehe es als meine Verantwortung als Teil dieser Gesellschaft, die gerade heute weltweit an einem Punkt des Wandels steht. Ein Wandel, der hoffentlich eintritt und den ich und andere mit beeinflussen können. Ich selber habe mir immer die Frage gestellt: Wie würde es sein, wenn man dir nach deinem selbst gewählten Tod im Himmel (oder der Hölle) dein Leben zeigen würde, wie es weiter verlaufen wäre. Nämlich gut und mit einem hohen Anteil an Glückseligkeit. Wäre ich dann nicht frustriert? Abwarten, weitermachen und vor allem weiterkämpfen. Es lohnt sich.

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