Lowperformer – Unwort des Jahres

Betreff: Artikel die Zeit: http://www.zeit.de/wirtschaft/unternehmen/2015-08/amazon-jeff-bezos-arbeitnehmer-ausbeutung-forced-ranking-mitarbeiterbeurteilung

Liebe Zeit. Am 7. Auguste 2015 veröffentlicht ihr unter der Rubrik Karriere den Artikel „Faulheit – Sagen Sie alle Termine ab!“ Am 18. August folgt der Artikel „Amazon – Abschied vom Lowperformer“ ebenso im Bereich Karriere. „Lowperformer“ – Das Unwort des Jahres aus meiner Sicht. Ist es nicht an der ZEIT eine neue Rubrik aufzunehmen, die wir LEBEN nennen und ist es nicht an der ZEIT, Unternehmen auf ihre moralische, soziale und ethische Verantwortung nicht nur hinzuweisen, sondern sie zum Handeln zu zwingen. Wir sprechen von der Macht der Medien. Welche Macht an dieser Stelle? Ich glaube nicht, dass die Herren im Vorstand und im Management großer Unternehmen heulend und vor Angst und Sorge zitternd in der Ecke sitzen. Wer seine Schäfchen im Trockenen hat, kann Verluste hinnehmen. Warum greift ein Unternehmen zu Mitteln, die durch nachhaltige Unternehmensführung unnötig wären? Aus Faulheit vielleicht und weil es schneller geht? Die Herren in der oberen Etage trifft es ja nicht. Herr Arbeitgeberanwalt Naujoks kommt zum Einsatz, der mich an den fressenden Herren in Monty Pythons „Der Sinn des Lebens“ erinnert. Dem Äußeren nach sollte Herr Naujoks sich eher um seinen Cholesterinspielgel kümmern anstatt um die Belange seiner Mandaten. Andernfalls beenden sehr schnell seine verkümmerten Arterien seine Tätigkeit als Rausschmeißer und dann ist Schluss mit der Fleischfresserei und Rotweinorgien im Beisein von Vorstandsmitgliedern. Hat der Mann keine Spiegel zu Hause? Und ob dieser Mann moralische, soziale und ethische Eigenschaften überhaupt vorweisen kann, bezweifle ich. Ebenso bezweifle ich, dass Herr Naujoks und die Herren Manager jemals Jobs der unteren Ebenen ausgeübt haben. Einfache Sachbearbeiteraufgaben? Mit Glück vielleicht als Studenten. Ich war gerade vor zwei Wochen bei einer Burger King Filiale an einer Raststätte und schon nach zwanzig Minuten habe ich mich gefragt, wie man den Lärm und den Stress aushalten kann. Es piepst ständig, alle wollen möglichst schnell was Fettiges zwischen die Zähne und die Schlangen am Drive In und an den Kassen werden nicht kürzer. Nun muss ich dazu sagen, dass ich in meiner Schulzeit eine Weile beim Wettbewerb mit dem großen M gearbeitet habe, allerdings nur Sonntags die Spätschicht. Zumindest konnte ich mir aber so ein Bild von der Tätigkeit und den Menschen, die sie täglich ausüben müssen, machen. Damit bin ich bestimmt weiter als die meisten Manager, Vorstände und Naujoks dieser Welt.

Ich bin absolut kein Lowperformer, habe nur 1a Arbeitszeugnisse und scheue nicht davor jeden ehemaligen Arbeitgeber für Referenzanfragen anzugeben. Ich habe auch nie einen wirklich schlechten Arbeitgeber gehabt, eigentlich habe ich fast nur gute Erfahrungen gesammelt und trotzdem musste ich miterleben, was obere Ebenen anrichten, ohne Rücksicht auf Verluste. Ich selber habe also nicht viel zu jammern, was meine Arbeitgeber betrifft aber ich habe indirekt Ergebnisse diverser Optimierungsstrategien miterlebt.

Ich möchte euch drei kurze Arbeitsgeschichten erzählen.

Die erste Geschichte betrifft mich direkt. Ich war nach meiner Ausbildung zum IT-Kaufmann für ein kleines Unternehmen tätig, das im Auftrag eines großen IT Unternehmens mit zwei Buchstaben (der erst ist H) internen Client-Support durchführte. Das heißt, dass wir alle internen Benutzer bei PC Problemen betreuten. Diesen Service hatte das riesige IT Unternehmen bisher über interne Mitarbeiter abgewickelt und später outgesourct. Das Management des Unternehmens hatte den Bereich zudem in Nord und Süd aufgeteilt, so dass zwei Dienstleister sich den ganzen Bereich teilten und jedes Jahr neue Verträge ausgehandelt wurden. Das wiederrum bedeutete für die Mitarbeiter des Dienstleisters:

  • Immer maximale Leistung bringen.
  • Jedes Jahr am Ende hoffen, dass es im neuen Jahr weiter geht.
  • Oft ein Wechsel des Arbeitgebers, weil sich der Dienstleister preislich nicht mehr halten konnte. Gleicher Job und neuer Arbeitgeber aber mit weniger Gehalt.

Im Lauf der Zeit wurden 1st Level-Hotlines in verschiedenen Billiglohnländern aufgebaut und wieder abgebaut. Hatten wir erst mit einer Hotline in Deutschland zu tun, waren es am Ende Kollegen in Polen, Ungarn, Rumänien oder Indien. Ich vergesse nicht, wie nett die Leute in Polen waren. Zwar sehr unerfahren und mit wenig technischen Kenntnissen aber motiviert und engagiert. Und nach einem Jahr war für das polnische Team alles wieder vorbei. Der Job ging nach Rumänien. Mir wurde das schnell alles zu bunt und ich bin frühzeitig gegangen aber viele meiner Kollegen blieben, bis einer nach dem anderen gehen musste. Das Tragische an der Sache ist: Sowohl wir Externe als auch die internen Kollegen, mit denen wir zusammen arbeiteten, fanden die Zeit wundervoll (bis immer mehr abgebaut wurde), sprechen noch heute davon. Es machte Spaß, alle waren zufrieden und motiviert. Ein interner Projektleiter sagte einmal zu mir: „Ich könnte diesen Job mit euch bis zu meinem Renteneintritt machen. Ihr seid super, es läuft alles ohne Problem und alle sind zufrieden. Wir, ihr und die User.“ Das obere Management des großen IT Unternehmens hat dem Ganzen durch seine Sparstrategie ein Ende gesetzt, so dass nur noch ein Kollege (von ca. 300) vor Ort übrig ist, die polnischen Kollegen wohl arbeitslos und der Rest verstreut über das Land bei neuen Arbeitgebern oder arbeitslos. Das heißt: Durch diese Strategie wurden funktionierende Teams getrennt, motivierte Mitarbeiter demotiviert und Menschen in die Arbeitslosigkeit getrieben, vielleicht auch, weil sie Lowperformer wurden, entfacht durch die wachsende Unzufriedenheit und Ungewissheit. Wenn Manager, Vorstände und ihre Lakaien mehr mit den unteren Ebenen reden würden und zwar direkt, vielleicht auch aus ihren Reihen entstammen würden, könnten sie sich besagte Strategien vielleicht sparen. Im Prinzip heißt das: Ist der Lowperformer vielleicht zu einem Lowperformer geworden und könnte man aus dem Lowperformer einen Performer machen, indem man ihn motiviert, seine genauen Fähigkeiten ermittelt und anderweitig einsetzt? Wäre das nicht der langfristig effizientere Schritt? Und macht die verbreitete Angst, die durch die Lowperformerjagt entsteht, Performer und auch Highperformer im schlimmsten Fall zu Lowperformern (ich hasse dieses Wort)? Mit Sicherheit. Wo liegt dann der Sinn der Managerstrategien und der Nutzen von teuren Unternehmensberatungen? Nicht nur moralisch, ethisch und sozial kann man hier von einem falschen Vorgehen sprechen, sondern auch langfristig wirtschaftlich.

Zweite Geschichte: Mein Bruder arbeitet für eine Kommunikationsagentur, die Krisenkommunikation betreibt und somit schlechte Nachrichten vermittelt. Sein aktueller Kunde ist ein großer deutscher Konzern, der Stellen abbauen muss. Hierfür sucht man sich Fachleute, wie meinen Bruder und seine Kollegen. Diese wiederum schuften mindestens 60 Stunden pro Woche, eher 80 und mehr. Man arbeitet Samstags oder auch Sonntags und Lowperformer sind absolut undenkbar. Alle in dem kleinen Unternehmen sind reine Highperformer. Das heißt: Damit interne Mitarbeiter gehen, weil sie zu viel kosten oder zu wenig Arbeit vorhanden ist, werden externe Mitarbeiter beauftragt, die wiederum Überstunden leisten müssen, um die zu erledigende Arbeit zu schaffen. Eine gewisse Ironie liegt hier schon vor, oder etwa nicht?

Dritte und letzte Geschichte: Ein Freund von mir hat vor einem Jahr den Schritt von der Agentur zum Kunden gemacht und wurde direkt Leiter Marketing und Kommunikation im neuen Unternehmen. Seine erste Aufgabe: Das Unternehmen und seine Marke neu erschaffen. Neues Branding, neues Auftreten mit neuem Look und neuer Ausrichtung am Markt. Mit einem Team erreichte er im vorgegebenen Zeitraum sein Ziel, mit schnell erkennbaren Erfolgen in Form von Zahlen. Das Ergebnis: Die komplette Abteilung wurde gekündigt, da das Unternehmen verkauft werden sollte (obwohl es seit Jahren schwarze Zahlen schrieb), was wiederum missglückte und man daher das Unternehmen ausschlachten will. Mein Freund berichtete mir schon in der Anfangsphase, wie sehr ihm der neue Job gefällt, weil die Kollegen so nett sind und alles so gut läuft. Nach Jahren in der Agentur, unnötigem Stress und viel dicker Luft endlich ein tolles und motiviertes Team, das gut zusammen arbeitet. Jetzt muss er sich einen neuen Job suchen und die Motivation, die er in den neuen Job gesteckt hatte, ist angekratzt und deutlich eingegrenzt. Noch so eine Erfahrung und er lässt den Highperformer zum Performer werden und im schlimmsten Fall zum Lowperformer. Kein Fazit – die Geschichte spricht für sich. Ende der Geschichte.

Medien wie Die Zeit tragen Verantwortung für die Gesellschaft, haben die Zügel in der Hand und können etwas verändern. Nicht nur schreiben, sondern deutlicher werden und die Oberen zum Handeln zwingen. Unternehmen wie Amazon und Co. aber auch Leute wie Herr Naujoks sollten nicht nur den mahnenden Zeigefinger sehen, sondern den harten Tritt gegen das im Falle von Herrn Naujoks schwabblige Knie spüren, damit auch sie wissen, wie es ist, wenn man nachts vor Sorge über den Job nicht schlafen kann.

Ich selber habe Konsequenzen gezogen aus meiner Erfahrung und einem noch bestehenden Burnout, gehe einen neuen Weg und versuche damit andere zu ähnlichen Schritten zu bewegen. Vielleicht erreiche ich am Ende gar nichts und lande in der Gosse aber ich kann wenigstens sagen, dass ich es versucht habe.

Blogger, die viel sagen aber eigentlich nichts zu sagen haben

Wenn man bloggt wird man unweigerlich mit anderen Bloggern konfrontiert und auch ich verfolge Blogger, die viel und oft über ihr Leben berichten. Nicht, dass ich das Bedürfnis habe anderer Leben zu verfolgen aber gerade diese Blogs, nennen wir sich einfach die der„Leidenden“ lese ich regelmäßig, da sie alle etwas zu sagen haben und sie alle regen zum Nachdenken an. Sie alle erleben etwas, das für viele andere nicht erfassbar ist. Im Vergleich zu vielen oder sogar den meisten von ihnen habe ich verhältnismäßig wenig zu sagen. Wenn ich von sehr jungen Menschen mit einer extremen Depression, extremen körperlichen Leiden oder Krankheiten lese, werde ich mir immer wieder bewusst, wie gut es mir (mittlerweile) geht. Ich habe „nur“ einen Burnout verursacht durch eine Angststörung und das mit Ende 30. Ich habe also schon gelebt und zwar gut. Und genau diese Menschen haben etwas zu sagen – etwas, was alle und jeder erfahren sollten, damit Menschen, denen es gut geht, bewusster und mit offenen Augen durch ihr Leben schreiten auch um vielleicht anderen zu helfen. Leider erfährt man erst dann etwas von diesen Menschen, wenn man selbst dazu gehört oder dazu gehört hat. Die kleinen und oberflächlichen Fetzen an Informationen, die durch die Medien verstreut werden, geben keine Details preis und versickern in der Masse an Müll, die man täglich online und offline konsumiert. Bis mal wieder ein Extremfall auftaucht und die unersättliche Gier der Medien und ihrer Konsumenten besänftigt.

Die persönliche Selbstwahrnehmung dieser Leidenden ist, wie ich am eigenen Leib erleben durfte oft gestört. Man versteckt sich, ist unsicher und sucht nach einem Bild, das man nach Außen strahlen kann und von dem man glaubt, das andere es akzeptieren. Es geht nicht um das Mögen, sondern nur um die Akzeptanz. Man will ja nicht auffallen und eher im Hintergrund bleiben.

Die Kehrseite der Geschichte sind die nennen wir sie einfach „Überwiegend-Nicht-Leidenden“, die mitteilungsbedürftig, oberflächlich, selbstinszeniert und selbstverherrlichend von ihrem ersetzbaren und ichbezogenen Alltag berichten. Wir sollen an ihrem geilen Leben teilnehmen, uns angezogen fühlen von ihrem Dasein, ihrer Person, ihrem Aussehen und ihre Präsenz. Urlaubsbilder, erworbene, vermeintlich stylische Produkte und auf den ersten Blick nur visuell konzipierte Speisen spiegeln ihr Leben wieder und sollen uns in den Bann ziehen. Wer mit Anfang 20 viel reist, teuer essen geht, nach angesagten Clubs und Restaurants sucht, selbst im Urlaub auf eine standesgemäße Karosse nicht verzichten kann und immer wieder seine Person auf Fotos ins passende Licht stellt, hat der Welt nichts zu sagen und sollte erst lernen, was Leben ist, gerade wenn er den Begriff Leben in seinem Blog so sehr in den Vordergrund stellt. Es gibt da draußen Menschen, die mit Anfang 20 schon viel erlebt haben, gerade Schlechtes und das beweisen Blogs, die zahlreich vorhanden sind, nur wollen diese Menschen sich nicht selbst in einem geschmückten Bild präsentieren. Sie suchen nach Aussprache und Zuspruch. Und sie wollen die Welt, das Leben und ihr Leben verbessern. Sie gehen mit offenen Augen durch ihr Leben, sei es noch so beschwerlich und sie klagen, weil sie klagen dürfen.

Wenn unsere Gesellschaft einem sinnlosen Reise- Lifestyle- und Food-Blog mehr Aufmerksamkeit schenkt als dem eines Menschen mit psychischer oder organischer Krankheit, spiegelt das nur wieder unser Gemeinschaftsbewusstsein und unsere Ignoranz gegenüber dem Unschönen wieder. Es gibt wunderbare Blogs vom Menschen, denen es gut geht und die über Dinge berichte, die wichtig sind und die wir benötigen. Sei es die Natur, Kunst, Musik oder Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein. Sie alle ergänzen die Blogs der „Leidenden“ positiv und zwar nicht nur für den Einzelnen, sondern auch für die Gesellschaft.

Suicide (Selbstmord)

Für die weniger Sprachorientierten unter uns: „Suicide“ ist der englische Begriff für Selbstmord. Hinter diesem Begriff steckt aber auch eine Band und zwar die angeblich erste Synthie Popband der Welt, wobei aus meiner Sicht der Sound eher in Richtung Wave geht.

Wikipedia ordnet den Sound dem Punkrock, New Wave und No Wave zu. Alan Vega und Martin Rev haben in den 70er Jahren einen Sound entwickelt, der noch heute extrem und experimentell wirkt. Aus meiner Sicht vergleichbar mit Bands wie Nitzer Ebb oder …. Ich bin auf die Platte mit dem gleichnamigen Albumnamen gestoßen, weil sie vom Rolling Stone Magazin auf Platz 446 in der Liste der 500 besten Alben aller Zeiten gewählt wurde. Das Cover faszinierte mich und ein erstes Reinhören bei Youtube ebenso. Die Platte zu bekommen war dann nicht so einfach. Ständig vergriffen oder nicht verfügbar. Vor einigen Tagen habe ich dann endlich in einem Plattenladen in Mannheim eine Neuauflage erstanden und war beim Anhören zum einen geblendet vom Rot des Vinyls und zum anderen vom erschütternden, extremen und verstörenden, aber auch faszinierenden Sound.

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Aussage meiner Frau: „Der Sound passt zum Namen…“ Mir wurde beim Hören bewusst, dass ich wirklich auf dem Weg der Besserung bin, da mir der Sound nichts ausmachte. Im Winter, zu Beginn meiner extremen Phase der psychischen Erkrankung hätte der Sound mir bestimmt nicht gut getan. Ich stand zwar nie wirklich kurz davor den letzten Ausweg zu wählen aber der Gedanke war oft vorhanden. Das kann ich leider nicht leugnen. Die anteilige Depression in der Frühphase war zu präsent. Daher habe ich beschlossen mich einmal mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Ich wollte herausfinden, was in unserer heutigen Zeit über die zahlreichen und einflussreichen medialen Kanäle zum Thema Selbstmord vermittelt wird.

In diesem Zusammenhang kommen wir auf das Thema Selbstmord oder Suizide als Begriffe und dem englischen Wort Suicide zu sprechen. Den ersten Schritt den man wählt, ist die Suche im Internet und hier hat Google als führende Suchmaschine den größten Einfluss, denn Google entscheidet durch seine Suchalgorithmen, was auf den ersten Plätzen angezeigt wird, sowohl bei Texten als auch bei Bildern. Suizid als Begriff kommt aus dem Lateinischen suicidium, aus sui „seiner [selbst]“, und caedere „(er)schlagen, töten, morden. Beim deutschen Begriff Selbstmord erscheint glücklicherweise an erster Stelle zumindest aktuell die Hotline der Telefonseelsorge. Beim englischen Begriff Suicide dagegen erscheint der Wikipedia-Eintrag zur oben genannten Band Suicide. Daher auch mein Bezug. Kann man das jetzt als positiv betrachten? Je nachdem in welchem Zusammenhang ich nach diesem Begriff suche. Bin ich auf der Suche nach Methoden der Selbsttötung oder will ich nur über das Thema mehr erfahren. Die deutschen Begriffe, und das erschüttert mich wirklich, bieten unten am Ende der Seite „Verwandte Suchanfragen zu Selbstmord“, die überwiegend kontraproduktiv erscheinen. Ich sehe das zumindest so.

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„Selbstmordanleitung“ oder „Selbstmord schmerzlos“ sind nicht wirklich gesellschaftsfördernd. Steht ein Unternehmen wie Google und auch die Politik der Länder nicht in der Verantwortung Selbstmord zu vermeiden und wäre es daher nicht angebracht Suchbegriffe in die positive Richtung zu führen und zwar ausschließlich? Stehen wir nicht alle in der Verantwortung Menschen zu helfen, die selbstmordgefährdet sind? Google zeigt die Ergebnisse basierend auf der sogenannten Linkpopularität an. Das ist nur einer der Faktoren, die auf das Ergebnis der Suche Auswirkung haben. Verlinkungen, Begriffe im Dokumententitel oder auch Relevanz und der Standort des Suchenden spielen eine Rolle. Natürlich erscheinen auch die Nachrichten der bekannten und dafür zahlenden Medienpräsenzen in der Liste aber auch dubiose Links, die einen Selbsttest anbieten. Wechselt man in die Ansicht Bilder, wird der Eindruck der visuellen Komponente auf den Suchenden nicht wirklich positiver. Abschiedsbriefe, eine Piktogrammansicht der verschiedenen Methoden sich das Leben zu nehmen, Fallbeispiele aus den Medien, humorvolle Darstellungen und Sprüche jeglicher Art. Der gesamtvisuelle Eindruck ist düster wie das Plattencover mancher Gothik- oder Dark Wave Band.

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Dunkle Farben, Rot und Blau dominieren. Was die Medien heute über ihre Kanäle übermitteln, landet beim Empfänger und hinterlässt Eindrücke, die in Abhängigkeit vom Gemütszustand und vom Charakter der Person ihre Spuren hinterlassen können. Welchen Einfluss aber hat das Internet auf die Selbstmordrate einer Gesellschaft? Ein Frage, die von zu vielen Faktoren heute beeinflusst wird, als dass man diese hier erörtern könnte und sollte, denn nicht nur die Suche über Google spielt hier eine Rolle, sondern auch Social Media, der berufliche Faktor und der damit verbundene Druck auf den Menschen, die Möglichkeiten, die Reichweite und die Nutzung im Allgemeinen. Jeder Sender und Empfänger hat ein bestimmtes Nutzerverhalten und daraus resultiert ein Einfluss. Hinzu kommen Faktoren wie gesellschaftliche Integration, Herkunft, Religion, Alter oder Bildung. Alles zusammen wird wohl eine Doktorarbeit sein, der sich ein Psychologe widmen kann oder schon gewidmet hat. Einige Tatsachen habe mich allerdings bei meiner Suche wirklich erschüttert. Hier eine Auswahl:

 

Fakten zum Thema Selbstmord:

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  • Alle 40 Sekunden nimmt sich ein Mensch das Leben
  • Weltweit nehmen sich jährlich 800.000 Menschen das Leben
  • In einkommensstarken Ländern wie Deutschland nehmen sich etwa dreimal so viele Männer wie Frauen das Leben.
  • Im Jahr 2013 nahmen sich mehr als 10.000 Menschen allein in Deutschland das Leben. Im Jahr 1980 waren es über 18.000. Die Zahl nahm dann stetig ab bis etwa 2006 und nimmt seit dem wieder etwas zu.
  • In Südkorea hat die Selbstmordrate zwischen 1995 und 2009 um 153% zugenommen. In Chile sind es 54% und in Japan knapp 38%
  • In der Altersgruppe der Fünfzehn- bis Vierundvierzigjährigen ist der Suizid inzwischen eine der drei häufigsten Todesursachen, bei den Zehn- bis Vierundzwanzigjährigen sogar die zweithäufigste Todesursache.
  • Noch immer sterben doppelt so viele Menschen durch Selbsttötung als durch Verkehrsunfälle

 

 

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Die Top Five der Suizidmethoden in Deutschland zwischen 2011 und 2013 jeweils pro Jahr

  • Platz 1: Erhängen, Strangulieren oder Ersticken: Über 4000 Fälle
  • Platz 2: Sturz in die Tiefe: über 900
  • Platz 3: Arzneimittel, Drogen oder andere Substanzen: Über 800 Fälle
  • Platz 4: Sich überfahren lassen (Zug etc.): Um die 700 Fälle
  • Platz 5: Sonstige Methoden
  • Es folgen Methoden wie Feuer, Schusswaffen, Ertrinken oder Explosivstoffe

Die Ursachen für Suizid sind sehr unterschiedlich aber man geht davon aus, dass die häufigsten Fälle psychischen Ursprungs sind. Allerdings lässt sich diese These nur bedingt nachweisen und deuten, da die Ursache oft erst nach dem Suizid ermittelt wird und auf Basis der Angaben von Freunden und Verwandten. Genannte Gründe sind oft Naturkatastrophen, Diskriminierung, (sexuelle) Gewalt, Drogenabhängigkeit, Existenzängste, chronische Schmerzen oder Probleme mit Freunden oder in der Familie.

2009 nahm sich der Nationaltorwart Robert Enke das Leben, indem er vor einen fahrenden Zug sprang (in unserer Sprache fast schon sarkastisch genannt „Schienensuizid“). Als Fußballspieler stand er in der Öffentlichkeit wie nur wenige Sportler und musste dem Druck der Medien, der Fans und des Sports Stand halten. Wie sich herausstellte litt Enke an einer Depression, die schlussendlich zum seinem Tod führte. War der Druck, der auf ihm lastete zu groß? War es der durch einen Herzfehler bedingte Tod seiner zweijährigen Tochter? War es die Überforderung durch das gesellschaftliche und mediale Interesse? War es eine Kombination aus allem und sind wir, der Verein, die Medien und die Fans am Ende Schuld an seinem Tod? Gab es für ihn keinen anderen Weg?

Robert Enke hat durch seinen Tod ein gesellschaftliches Interesse am Thema Depression ausgelöst. Sich Outen wurde anerkannter, so dass auch der Fußballer Andreas Biermann bekannt gab, aufgrund einer Depression in Behandlung zu sein. Auch er nahm sich einige Zeit später das Leben. War es hier zu spät zu helfen statt zu be- oder gar verurteilen? Wenn Menschen sich angewöhnen würden sensibler, mit offenen Augen und mit mehr Vorsicht an andere heranzutreten – würde dann die Selbstmordrate zurückgehen? Gerade Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, ertragen einen enormen Druck, der sie im schlimmsten Fall komplett erdrückt. Es liegt an uns, wie wir miteinander direkt oder indirekt umgehen. Worte, Gesten oder Missachtung schmerzen immer. Ganz gleich, ob sie im direkten Dialog übermittelt werden, digital oder über mediale Kanäle. In allen Fällen reicht es aus, dass die Person zu den emotionalen Menschen gehört und am Ende extremes Leid erfährt.

Wir alle, die wir eine psychische Erkrankung erleiden müssen oder mussten, ganz gleich, wie extrem sie sein mag, können auf die Dinge aufmerksam machen. Andere aufwecken, unsere Erfahrung weitergeben und auch helfen. Helfen dadurch, dass wir lernen zu kämpfen, festzuhalten an den Dingen, die uns lieb sind und die es wert sind zu lieben. Mich hat es im Verhältnis nicht hart getroffen. Ich bin Ende 30, habe eine Angststörung mit körperlichen Beschwerden aber ich habe Mut, Entschlossenheit und Geduld aufgebaut, um weiterzumachen. Es geht mir verhältnismäßig gut. Ich möchte anderen helfen, die Hilfe benötigen und werde in naher Zukunft Wege aufbauen, dies zu ermöglichen. Ich sehe es als meine Verantwortung als Teil dieser Gesellschaft, die gerade heute weltweit an einem Punkt des Wandels steht. Ein Wandel, der hoffentlich eintritt und den ich und andere mit beeinflussen können. Ich selber habe mir immer die Frage gestellt: Wie würde es sein, wenn man dir nach deinem selbst gewählten Tod im Himmel (oder der Hölle) dein Leben zeigen würde, wie es weiter verlaufen wäre. Nämlich gut und mit einem hohen Anteil an Glückseligkeit. Wäre ich dann nicht frustriert? Abwarten, weitermachen und vor allem weiterkämpfen. Es lohnt sich.

Die Segel sind gesetzt und meine verdammten Eier hoffentlich erst der Anfang

Wenn man wie ich mit einer Angststörung und einer leichten Depression ausgestattet ist, fällt es einem natürlich nicht immer ganz einfach, Positives zu sehen. Es ist oft alles Kacke, um es milde auszudrücken. Und zwar richtig Kacke! Sarkasmus, mit dem mich unser gütiger Herrgott glücklicherweise versehen hat, ist hier oft der einzige Ausweg oder besser gesagt Umweg, um mit der Krise zu leben. Man macht nicht ständig Witze über alles aber man versucht ab und an der Sache den nötigen Arschtritt zu geben. Wenn es aber um die eigenen Eier geht, macht „Mann“ keine Witze. Gerade dann nicht, wenn man damit viel Arbeit hatte. So geht es auch mir. Keine Angst – ich schreibe jetzt nicht über das, was man jetzt aus dem Kontext heraus erwarten würde. Ich scheibe über die hier sichtbaren Objekte.

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Ja richtig. Ich bemale an oder besser gesagt zu Ostern Eier und gehöre damit zu den wenigen männlichen Wesen auf dieser Welt ohne Kinder, die dieser Tätigkeit zwanglos, aufopfernd, ambitioniert und mit Begeisterung nachgehen. Ich pansche nicht einfach nur auf den Eiern herum mit dem haarenden Aldi-Pinsel und den Farben aus dem Schulmalkasten mit dem comicartigen Phallussymbol auf dem Deckel – nein! Ich zelebriere geradezu das Auftragen der Aquarellfarbe oder Tusche in unterschiedlichen Techniken, mit teuren Künstlerpinseln und unter geistiger und kreativer maximaler Anstrengung. Da vergeht schon einmal ein ganzer Tag für gerade einmal sechs Eier. Und mir versaut es schon die Laune, wenn die aufgedruckten Zahlen auf den Eiern trotz Spezialradierer nicht verschwinden wollen. Es ist zum Haare raufen. Aber genau diese hier sichtbaren bunten Kollegen haben etwas Positives ausgelöst und waren im Prinzip der Anfang einer Resonanz, die unerwartet kam, in dem Sinne positiv war und mich noch heute antreibt. Aber, und das muss man betonen, es war oder ist auch etwas frustrierend. Zur Sache also: Ich male, zeichne und gestalte schon seit vielen Jahren (bisher ohne den Versuch davon leben zu können). So sind Arbeiten wie die Folgende entstanden und natürlich kann man sich vorstellen, dass hier auch enorm viel Zeit in die Ausführung fliest.

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Und nicht nur Zeit, sondern auch Geld (Farben und Papier) und ab und an auch Frust. Ein falscher Strich und alles ist im A… (ich will das Wort jetzt meiden). Jedenfalls scheue ich keine Mühe, meine Arbeiten einem mir zusagenden Anspruch entsprechend zu gestalten. Von der Vorzeichnung über die Ausarbeitung bis hin zur finalen Farbgebung. Ich arbeite daran akribisch. Ich sehe mich aus diesem Grund auch nicht mehr als Sonntags- oder reiner Hobbymaler, der seinen matschigen Pinselklatschern Titel wie „Sonnenwende“ oder „Herzensblühen“ gibt. Lernt man das eigentlich in solchen Wochenendkursen? Habe nie einen besucht und werde es auch wohl nie tun. Nein. Ich sehe mich mehr als eine Art grafischer Künstler, der jetzt aufgrund seiner Situation aus der Sache mehr machen will. Das nur am Rande.

Jedenfalls bin ich wie viele andere Künstler, Grafiker und andere Kreative auch, bei tumblr (https://www.tumblr.com/) aktiv, betreibe dort einen Blog, habe eine eigene Webseite und sogar eine Facebook-Seite. Bei tumblr allerdings veröffentliche ich vorwiegend meine Arbeiten, habe auch schon Follower und bekomme meine „Likes“ auf bestimmte Werke. Erfolgreich? Naja. Magere Ausbeute bisher aber weiter machen heißt meine Devise. Nicht aufgeben. Die oben aufgeführte Arbeit habe ich auch veröffentlicht und komme auf sagenhafte 13 Reaktionen, was nicht gerade viel ist und wenig motivierend. Natürlich hängen die Reaktionen auch davon ab, ob tumblr das Werk oder den eigenen Blog unterstützt bzw. hervorhebt, aber trotzdem. Geil ist anders. Zurück zu meinen bemalten Eiern. Am Tag vor Ostern habe ich die neuen ovalen Objekte und die im Vorjahr erschaffenen veröffentlicht. Nicht, dass ich der Meinung war, das wird der Knaller aber man will ja aktiv beim Bloggen bleiben. Am nächsten Tag dann der große Knall: tumblr muss die Serie auf die Startseite genommen haben und entsprechend war die Reaktion auf meine verfluchten Eier (das klingt schon schräg). Ich habe unzählige Arbeiten bereits veröffentlicht, ehrlich gesagt waren es etwa 30 aber egal. Von allen verfluchten Bildern müssen es dann die läppischen Ostereier sein, die Support erhalten, so dass ich Status heute knapp 200 Reaktionen auf die Bildserie habe. Die verfluchten Eier, die ich aus Spaß an Ostern bearbeitet habe und die in Summe einen Tag Zeit gekostet haben, während andere Arbeiten mehrere Tage vollste Aufopferung fordern. Da könnte ich platzen. Oder doch nicht? Es war einer der Tage, an denen es mir körperlich und seelisch eher schlecht ging, die Muskeln schmerzten, der Tinnitus war laut und der Schwindel allgegenwärtig. Mittlerweile war ein halbes Jahr in meinem Zustand rum und es ging nicht wirklich spürbar aufwärts, trotz allen Bemühungen. Rückfälle, Pillen, die nichts brachten, Ärzte, die nichts wussten und, und, und. Leidgenossen kennen das ja.

Irgendwie hat aber die Reaktion auf die Bildserie meine Motivation für meine kleine Begabung gestärkt. Niemals aufgeben sondern immer weiter machen. Es gibt Blogs, die tumblr selber betreibt, so auch tumblr open arts (http://tumblropenarts.tumblr.com/). Hier kann man Arbeiten einreichen, was auch ich in der Vergangenheit ein oder zwei Mal versucht habe, ohne Erfolg. Motiviert durch den winzigen Erfolg habe ich eine weitere Arbeit eingereicht (Bild unten).

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Ich hatte es schon fast vergessen und auch schon abgeschrieben, als nach einigen Tagen die Reaktionen kamen. Veröffentlicht von tumblr open arts, neue Follower und knapp 200 Reaktionen. Auch die folgende zweite Arbeit habe ich wenig später eingereicht.

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Es klappte wieder mit aktuell fast 300 Reaktionen und neuen Followern. Man muss dazu sagen, dass nur veröffentlicht wird, was die Damen und Herren bei tumblr mögen. Nicht, dass man das jetzt als Durchbruch sehen kann aber als ersten Schritt und eine Richtung. Vielleicht auch als ein Zeichen des Schicksals? Wer weiß. Fakt ist, dass die meisten hier eingereichten Arbeiten von gelernten Künstlern, Grafikern oder Illustratoren sind. Ich trete als Ungelernter an.

Aber die Zeichen des Schicksals sollten noch mehr werden. An einem Sonntag bekam ich Nachricht von Aktivitäten auf meiner Facebook-Künstler-Seite, die seit langer Zeit still stand und zwar mehr als ein oder zwei Kleinigkeiten. Irritiert schaute ich, was da los war. Eine englische Kunst- und Designzeitschrift hatte zwei Arbeiten von mir, mit Verweis auf mich auf ihrer Facebook-Seite veröffentlicht und das ohne, dass ich irgendwelche Werbung gemacht hatte oder sonstige Aktivitäten. Auch das ist kein Durchbruch aber durchaus ein Zeichen oder ein Wink des Schicksals. Nicht aufgeben, sondern weiter machen. Vielleicht ist es an der Zeit eine Geschichte zu schreiben. Eine Geschichte, deren Ablauf und Ende ich noch nicht kenne. Ich will aber versuchen, eine schöne Geschichte daraus zu machen, mit einem schönen Ende, um andere zu motivieren für das zu kämpfen, was ihnen wichtig ist und was sie glücklich macht.

Weg vom Smartphone – Designer erfinden Handy, das uns nicht stört und ablenkt

Die zwei ehemaligen Handyhersteller Mitarbeiter Joe Hollier und Kaiwei Tang wollen ein Handy produzieren, dass uns durch Reduzierung auf Grundfunktionen nicht mehr ablenkt.

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Eine Idee, die durchaus sinnvoll ist und auf unser gesellschaftliches Problem hinweist, aber gab es so etwas nicht schon vor etwa 15 Jahren? Ich hatte sehr lange ein solches Wundergerät.

„Revolution now“

Nach über eineinhalb Stunden Anfahrt aufgrund des Bahnstreiks erreiche ich mein Ziel: Die Praxis meiner Psychiaterin, die nach meinem Neurologen das Sagen über meine gesundheitliche Situation übernommen hat. Wir erinnern uns: Der erste Besuch führte mit einem belanglosen Gespräch und einer zur Unterstützung ihrer Erklärungen sinnlosen Zeichnung (siehe Bild), auf deren Ausführung ich bis zum Ende gewartet hatte, zu keinem brauchbaren Fazit, aber immerhin zu wunderbaren Pillen, die bisher noch keine deutliche Wirkung zeigen.

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Angekommen betrete ich ihren Praxisraum, werde freundlich begrüßt und bin überrascht, dass diesmal kein weißes DIN A4 Blatt Papier auf dem Tisch liegt. Neue Strategie Frau Doktor (denke ich mir)? Sie erkundigt sich freundlich nach meinem Befinden, weist mich wieder auf meine aus ihrer Sicht erkennbare berufliche und lebensbezogene Unentschlossenheit hin und auf meine sportliche Vergangenheit. Zu viel kann auch schlecht sein! So viel weiß ich schon seit zwei Jahren und für diese Erkenntnis brauche ich keinen Mediziner. Nichts also, was man als in irgendeiner Form hilfreich oder weiterführend von einem studierten Mediziner als kompetente Herangehensweise ansehen könnte. Jedenfalls geht das Ganze Ping-Pong-artig voran. Sie sagt etwas, ich reagiere, sie meint, ich wäre schon viel ruhiger als beim letzten Mal, ich denke mir: „warum sind meine Beschwerden dann schlimmer geworden?“ Uns so weiter. Und dann Bumm!!! Die nächste Ebene des Gesprächs. Sie zieht aus dem Regal ein weißes Blatt Papier hervor, legt es auf den Tisch und zückt den Kugelschreiber. Was kommt jetzt, denke ich mir. Entgegen dem letzten Besuch kreist sie keine zehn Minuten über dem leeren, friedlichen Blatt ohne einen Strich zu machen. Nein, sie malt direkt einen fast runden Pfeil auf das Blatt, gefolgt von einem weiteren darauf zeigenden geraden Pfeil. Anmerkung hierzu: Ich habe wieder mühevoll die Zeichnung rein aus meinem Gedächtnis heraus nachgezeichnet und bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden.

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Nicht ganz einfach aber ich bin nah an ihrem Werk. Ich liebe Kreise und arbeite nach wie vor grafisch damit. Aber wie beim letzten Mal konnte ich keinen sinnvollen Zusammenhang zu ihrer aktuellen Aussage herstellen. Was zur Hölle will sie mir damit sagen? Hat sie vielleicht in ihrer Schublade unzählige weiße Blätter mit aufgemalten kreisförmigen Pfeilen angesammelt? Wäre es dann nicht vielleicht einfacher, sinnvoller und auch umweltfreundlicher immer das gleiche Blatt Papier zu nutzen – therapiebezogenes Recyceln sozusagen? Ich stelle mir die Vorlesung im Studium vor, bei welcher der promovierte Psychiater und anerkannte Mediziner den anwesenden Studenten erklärt, dass es in vielen Fällen nützlich ist, dem Patienten durch visuelle Hilfsmittel Zusammenhänge zu erklären. Die Kognition des Rezipienten also gezielt anregen. Durch Bilder Verständnis erzeugen und Erinnerungen. Vielleicht wäre eine Doppelstunde „Schnellkurs Informationsdesign“ angebracht gewesen oder ein Coaching in Sachen Flipp Chart.

Um es zusammenzufassen: Ich hab nichts aus dem Termin mitgenommen außer ein weiteres Rezept, der Rat zur Erhöhung der Dosis und Ratschläge, die nichts mit meiner Person zu tun haben. „Ich kenne Sie ja nicht wirklich“ hat sie zu Recht angemerkt. Richtig! Aber ich komme gerne weiter zu ihnen, denn je mehr sie mir Ratschläge geben und mir die Welt erklären mit ihren Zeichnungen, desto mehr fühle ich mich in meiner Meinunge gestärkt. Es motiviert mich gerade zu.

„Revolution now!“ Einfach mit Blick auf meine Situation das machen, was mir mein Bauchgefühl sagt und in dem mich auch meine Therapeut stärkt. Dem System und der deutschen Denkweise einen Schlag geben und einfach mal voll rechts rüber ziehen. Das System in den Graben rammen, ohne Rücksicht auf Verluste. Einfach mehr leben. Freier denken, sich freier fühlen und damit frei sein.

Der Rat meiner Psychiaterin oder ihr Ziel war und ist aus meiner Sicht, mich wieder in das System einzugliedern. Zurück an den Büroarbeitsplatz, den Stress, die hämmernden Tastaturgeräusche, die unsinnigen Meetings, das Businessgelaber, E-Mails, geregelte Mittagspause und geregeltes Einkommen. Sicherheit aber auch keine Freiheit und nur bedingt Ruhe.

Ich stelle mir das wie folgt vor: Drei Straßen. Auf der ersten Straße herrscht das totale Chaos. Eine mehrspurige Hauptverkehrsstraße, auf der die Fahrzeuge drängeln, hupen, stockend voran kommen, die Autofahrer müde und genervt aussehen und die Zeit vergeht, die man normal in Ruhe und Frieden glücklich verbringen könnte. Die zweite Straße – hier geht es schon etwas ruhiger zu. Die Autos fahren, relativ in Reihe und Glied, man kommt voran, wenn auch nur langsam und die im Hintergrund säuselnde Radiomusik beruhigt etwas das vom Tag oder vom anstehenden Taggestresste Gemüht. Die dritte Straße – das ist die chillige gerade verlaufende und ruhige Straße, auf der die stählernen Schlitten dahingleiten. Ganz im Flow des Lebens. Man ist fast einsam auf der Straße. Nur ab und an erscheint ein anderes Fahrzeug und man grüßt sich freundlich. Die Insassen aller Fahrzeuge sind gelassen und entspannt. Zur Verdeutlichung habe ich eine visuelle Darstellung erstellt, mich dabei auf die Werkzeuge (DIN A4 Blatt Papier und Kugelschreiber) und die grafischen Fähigkeiten der studierten Medizinerin und Psychiaterin reduziert aber ein annehmbares, kontextbezogenes und verständliches Bild geschaffen. Oder?

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Wie ich es sehe, will mich die Psychologen wieder auf Straße Eins bringen, wo ich vorher war. Maximal vielleicht auf Straße Zwei aber doch eher auf Straße Eins, denn ich kann ja durch autogenes Training und andere lösungsorientierte Übungen Ausgleich schaffen. Das ist das gleiche Prinzip wie mit den Elektroautos, die unser Mobilitätsproblem lösen sollen. Weniger Autos auf den Straßen wäre vielleicht sinnvoller oder die bessere Lösung, aber das schadet ja unserem System und insbesondere unserer florierenden Wirtschaft. Genau so ist es mit dem Arbeitnehmer. Haut es ihn aus der Bahn, bringt man ihn wieder auf Kurs, wenn nötig mit Medikamenten und dann fährt er erst einmal weiter. Der Wagen hält ja auch wieder nach etwas Schweißarbeit am Fahrgestell. Dann kommen vielleicht noch ein Paar mehr Schäden dazu, wie bei jedem alten Auto aber dann wird er ja langfristig aussortiert, geht in Rente und ein junger Neuling folgt. Man wird dann vom System mit einer möglichen staatlichen Rente belohnt, die man mit einer privaten Vorsorge zu 90 Prozent auffüllen muss, aber so neigt sich alles dem Ende zu. Das fast abgezahlte Eigenheim und die Rente sind dann der Gnadenhof des Menschen. Das war’s dann. Ich habe mich an die Regeln gehalten und so endet es.

Für mich kommt das nicht in Frage. Mir reicht’s. Ich habe beschlossen, dass ich nach fünfzehn Jahren Vollgas auf Straße Eins einfach mal auf Straße Drei wechsle. Den Motor nicht mehr hochdrehe, sondern schnurren lasse. Ich werde meine kreative Arbeit vertiefen, versuchen damit Geld zu verdienen, meine Kraft nur noch in das zu stecken, was ich für sinnvoll und erfüllend anerkenne. Warum soll ich für ein IT-Unternehmen arbeiten, das Lösungen entwickelt, die Prozesse und Abläufe beschleunigen, Kommunikation über Onlinekanäle und Telefon unterstützt und schlussendlich Stress nur verlagern? Wir lösen Anforderungen und keine Probleme. Bin ich durch eine Softwarelösung schneller, muss der nächste in der Kette nachziehen. Was bringt uns das? Effizienz und Ermüdung. Ist es nicht schöner, wenn man etwas macht, von dem unsere Gesellschaft wirklich profitiert, etwas, was das Leben lebenswerter macht und was uns träumen, lächeln oder nachdenken lässt? Ich glaube schon. Mit knapp 40 zu entscheiden, dass man ab jetzt auf seinen vorhandenen (vielleicht auch geringen) künstlerischen Fähigkeiten sein Leben aufbauen will, klingt für viele verrückt. Aber lieber versuche ich diesen Weg zu gehen, als am Ende vielleicht müde, ausgelaugt und vielleicht auch unerfüllt auf dem Gnadenhof zu enden. Mein Vater ist Architekt in Rente, wird 80 dieses Jahr und hat immer den sicheren Weg gewählt. Architekt sein heißt nicht unbedingt kreativ zu arbeiten oder seine Vorstellungen zu verwirklichen. Eher im Gegenteil, wie wohl viele bestätigen können. Seine Leidenschaft galt der Fotografie und aus meiner Sicht hat er auch viel Potential gehabt aber er hat nie den Schritt gewagt, seine Leidenschaft zu leben. Einfach auf die Sicherheit zu verzichten und einen Weg zu finden, das zu machen, womit man glücklich ist, was einen erfüllt und für was man sich zu 100 Prozent begeistert. Gerade heute lebt er damit frustriert, verbittert und unerfüllt. Das ist es nicht wert, sage ich mir gerade jetzt. Scheiß auf das, was andere darüber denken. Man ärgert sich am Ende seines Lebens mehr über die Dinge, die man nicht getan hat als über die, die man getan hat und die vielleicht schlimme Folgen hatten. Vielleicht ist es gerade in Zeiten wie heute wichtig rebellisch gegen Prinzipien, Regeln, Systeme und medial verbreitete Vorstellungen vorzugehen, um Grenzen zu überschreiten und andere zu animieren.

In diesem Sinne. Ein neues Werk von mir.

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Mit besten Wünschen ein kleine Granate an die Gesellschaft

Ich habe sehr lange darüber nachgedacht, was ich der Gesellschaft da draußen mitteilen könnte und im gleichen Zug kommt mir immer wieder die Frage auf, warum gerade mir das alles passiert ist. Im Prinzip ist es ja wie eine Strafe, die man ertragen und hinnehmen muss – nur warum und für was ist diese Strafe? Was habe ich getan oder auch nicht getan, dass ich das ertragen muss?

Tinnitus, Schwindel, Angstattacken, Unruhezustände, Muskelblockaden und all die fiesen Beschwerden, die mich täglich begleiten, mal mehr, mal weniger und die mich an den Rand des Wahnsinns treiben. Das Schlimme daran ist, dass man immer wieder über alles nachdenken muss. Man will loslassen, kann aber irgendwie nicht so richtig. Werde ich wieder arbeiten können, werde ich meinen Job behalten, den ich ja gerade erst angefangen hatte, will ich den Job überhaupt behalten? Wie werde ich klar kommen in den nächsten Monaten? Werde ich jemals wieder richtig reisen können und Spaß haben? Was ist mit Konzerten und Clubs – kann ich mit meinem Tinnitus jemals wieder ein lautes Konzert besuchen? Was ist mit meiner Ehe? Hält sie dieser extremen und lang anhaltenden Belastung Stand? Fragen, Fragen und wieder Fragen, die einen eben doch nicht weiterbringen. Und schließlich habe ich keine schlimme Krankheit, bei der die Heilungschancen gering oder gar Null sind. Zeit ist der ausschlaggebende Faktor und damit Geduld von meiner Seite aber auch Einsicht und Erkenntnis. Das Warum ist das, was man sich nur selber beantworten kann und mit dem man auf Dauer seinen Frieden schließen muss. Daran führt kein Weg vorbei und nur dann hat man die Chance wieder glücklich zu werden. Glücklich mit dem, was man hat und was man tatsächlich braucht.

Warum also das alles? Wer ist schuld an der Geschichte? Natürlich ich selber. Jeder ist selber für sich verantwortlich, kennt seine Macken, seine Schwächen, die angreifbaren Stellen der Persönlichkeit und des Körpers. Jeder weiß, wann für ihn das Maß voll ist und wann es Zeit ist „STOP“ zu sagen oder abzuspringen. Wenn die Dinge außer Kontrolle geraten, das schnelle Rennen zu schnell und zu lange wird, die Nächte kürzer, die Ruhe weniger und die Unruhe mehr. Unbegrenzte Beschleunigung macht unsere Gesellschaft heute aus. Die Digitalisierung und die damit verbundenen Möglichkeiten machen unseren Alltag zu einem Rennen – einem Rennen, in dem es darum geht, so schnell wie möglich zu sein, Informationen so schnell wie möglich zu übermitteln und zu erhalten, Ziele zu erreichen und dabei immer den Blick auf die anderen zu haben. Die anderen, die vielleicht noch schneller sind und an denen wir dran bleiben wollen, oft auch müssen. Es geht immer darum schnell zu reagieren, Fragen zeitnah zu beantworten, abhängig vom Medium, über welches kommuniziert wird. Proaktiv agieren und Dinge beschleunigen und dabei immer wieder optimieren ohne Blick auf ein mögliches Maximum. Immer mehr überschreiten wir Grenzen – Grenzen, die früher durch die Machbarkeit in Zusammenhang mit dem Medium, mit Maschinen, durch natürliche Gegebenheiten oder durch den Prozess allgemein eingeschränkt waren. Der Prozess Anfrage – Bestellung – Auftrag – Lieferung hat sich so sehr beschleunigt, dass wir als Menschen nur noch mit Maximalkraft Teil dieses Prozesses sein können. Von uns hängt es oft ab, wie schnell etwas geht und im Zweifelsfall oder auch Optimalfall ersetzt ein Automatismus oder gar ein Roboter unser Maximalkraft aber auch unsere Fehleranfälligkeit bei Ermüdungserscheinungen. Nicht nur im Beruf werden wir oft an unsere maximalen Grenzen gebracht, sondern auch privat. Auch hier spielt die Digitalisierung eine tragende Rolle. Wir werden durch soziale Medien, durch interaktive Plattformen, durch all die digitalen Interaktionsmöglichkeiten eingebunden in ein Rennen – einen Rennen um persönliches Glück, Erfolg und Ansehen. Karriere, Familie, ein Haus, ein großes Auto, Besitz und eine nach Außen wirkende körperliche und seelische Stärke, die vielleicht auch durch das Zutun von Medikamenten oder Drogen gestärkt wird. Maximale Leistung – ein Tuning für die Seele und den Körper, ohne Rücksicht auf Verluste.

Die Medien zeigen Erfolgsgeschichten, lassen uns durch Realityshows und sinnlose, inszenierte Geschichten an der glamourösen Welt von Stars und denen, die ein solcher sein wollen, teilhaben. Neid entsteht und der Wunsch nach Erfolg, Geld und der scheinbaren Glückseligkeit und Sorgenfreiheit. Über digitale Medien, insbesondere durch Social Media erfahren wir von den beruflichen und persönlichen Erfolgen anderer, den Urlauben in fernen Ländern, dem familiären Glück und den vielen anderen kleinen Dingen, die das Leben der anderen ausmachen. Das Leben, das wir mit Blick auf diese Dinge vielleicht gerne auch hätten, zumindest teilweise. Es muss ja nicht gleich eine kleine Villa sein, ein zu großer BMW und drei Kinder. Und wir geben uns auch erst einmal mit einer etwas besseren berufliche Position zufrieden und mit einer kleinen Gehaltserhöhung aber langfristig wollen auch wir ganz vorne dabei sein. Ein dickes Gehalt, ein größeres Auto, bessere Möbel und edlere Klamotten. Alle sollen es sehen. Damit auch wir ein Teil dessen sind, was andere als das Maß der Dinge sehen. Das, was uns vorgelebt wird, als Ziel von Medien und Gesellschaft angepriesen. Wir wollen uns selbst auf die Schulter klopfen können und das vermeintliche Ansehen der anderen genießen.

Ich habe immer irgendwie gearbeitet, auch teilweise in guten Jobs aber ich habe dabei nicht wirklich Karriere gemacht oder mich schnell nach Oben gearbeitet. Ich bin auf der Suche nach Wegen von Job zu Job gesprungen, wollte irgendwie auch weiter kommen, so wie die Menschen in meinem näheren Bekannten- und Freundeskreis. Während der eine als Ingenieur in einem namenhaften Unternehmen Karriere machte, war der andere als gut bezahlter Berater in einem dicken Audi unterwegs und der nächste machte gerade seinen Doktor. Gefühlt machte jeder außer ich Karriere. Der eine verdiente gut, der andere bekam Ansehen, mancher sogar beides und ich? Irgendwie nichts in der Art. Beruflich bewegte ich mich sogar teilweise in echt miesen Jobs, mit Durchschnittsbezahlung und wenig Aufstiegschancen, zumindest sah ich das so. Daher versuchte ich immer wieder durch Jobwechsel neue Wege zu finden und entschied mich sogar für ein berufsbegleitendes, fachfremdes Studium. Ich wollte mehr sein und mehr Ich sein.

Ach, da war ja noch was! Mein Sport. Jahre lang war ich auf dem Mountainbike unterwegs, bin Marathons gefahren, mit oft bis zu 130 Kilometern und 3000 Höhenmetern, kleinere Rennen, lange Alpentouren immer mit dem Ziel die Maximalhöhe und Weite am Tag zu erreichen. Bei meinem ersten Gardaseebesuch mit meinem Bruder vor viele Jahren bezwangen wir noch am Tag der Anreise direkt den Tremalzo, die extremste Auffahrt in der Region mit 2000 Höhemetern am Stück und viel Geröll. Bei Marathons gab es für mich nur die lange Runde. Die kleine oder mittlere Runde war nicht genug für mich und mein Ego. Lieber sieben Stunden kämpfen als vier Stunden Spaß haben und nur etwas leiden. In der Zeit um das Studium herum versuchte ich im Prinzip in vier Jahren Ziele zu erreichen, die andere über zehn Jahre anpeilen. Und neben diesem beruflichen Rennen versuchte ich noch weiterhin meine sportliche Leistung zu erhalten, ging morgens um Fünf ins Fitness Center, fuhr einmal pro Woche 35 Kilometer mit dem Rad zur Arbeit und zurück. Ich wollte weiter der sein, der ich war und der mich stark sein lies. Jedenfalls fühlte ich mich stark und diese Basis wurde mir dann genommen. Ich musste das Rennen komplett aufgeben und stehe jetzt bei Null. Mit der Entscheidung eine Radreise von 8000 Kilometer mit meiner Frau zu unternehmen, setzte ich dem voran gegangen Druck mit Studium und Joboptimierung noch die Krone oben drauf. Das perfekte Finish war geplant. Studium geschafft, jetzt die Reise und dann der optimale Job. Diese Rechnung ging nicht auf. Ich zahle heute nicht nur in Raten den Kredit ab, den wir zusätzlich nehmen mussten, sondern auch meine körperlichen und seelischen Schäden. Zu sehr war ich darauf aus, endlich etwas vorweisen zu können, von dem ich meinte, man würde mich dafür bewundern, zu mir aufschauen und mich besonders schätzen. Den Respekt, den ich suchte, erfahren. Respekt, der in keiner Weise nötig war, wie ich heute weiß. Jetzt heißt es, bei Null anfangen, im Hier und Jetzt leben, das Leben entschleunigen, Träume leben, die mir wichtig sind und für meine Gesundheit und mein Wohlbefinden sorgen. Vielleicht auch einfach mich treiben lassen ohne zu viel nachzudenken und ohne immer Einfluss auszuüben. Die Menschen, die ich vielleicht früher um ihre Karriere beneidete, betrachte ich jetzt anders, denn während der eine mit einer grauenhaft dicken und überschminkten Frau verheiratet ist, sieht der andere nach Jahren optisch wie ein gealterter Frosch aus. Ich dagegen habe eine wirklich hübsche Frau an der Seite mit wunderbarem Charakter. Und ich kann sagen, dass mein Leben erzählenswert ist, ich viel gelernt und erfahren habe, gerade weil ich umtrieben, nicht geradlinig und auch etwas risikofreudig war. Ich habe gerade jetzt eine Geschichte – eine Geschichte die noch nicht zu Ende ist.

Ich denke, dass Gesellschaft, Politik und auch jeder Einzelne Verantwortung dafür tragen, wie wir uns als Menschen weiterentwickeln, wie Generationen mit Stress, Druck und Einflüssen jeglicher Art umgehen müssen und wie wir schlussendlich lernen können, den Blick mehr auf das Wesentliche im Leben richten zu können.

Die Lösung für Krankheiten, seien sie körperlich oder auch seelisch, ist nicht zwingend Medikamente dafür zu entwickeln, sondern sie gar nicht erst entstehen zu lassen oder rechtzeitig dagegen zu wirken. Wenn Stress, Druck und andere negative Einflüsse unsere Seele und damit unseren Körper zu Boden ringen, die Belastung zu groß wird und das Maximum überschritten ist, müssen wir Wege finden, den Pegel allgemein zu senken – nicht nur punktuell, sondern für die Allgemeinheit. Nur dann haben wirklich alle die Chance, ihr persönliches Glück zu fühlen und zu leben. Wieder das zu spüren, was uns Menschen ausmacht. Dabei geht es nicht alleine um beruflichen Stress oder Druck, sondern auch um gesellschaftlichen. Auf die Einflüsse des Internets und der Digitalisierung muss aufmerksam gemacht werden. Jeder muss lernen, wie soziale Medien, das Smartphone und allgemein das interaktive Internet Einfluss haben auf unser Leben, unsere Denkweise und unser Handeln sowohl positiv als auch negativ. Menschen lernen aktuell mehr denn je, auf ihre Gesundheit zu achten, gesünder zu essen und Sport zu treiben. Die ein bis zwei Stunden Sport an zwei Tagen in einer Woche festigen sich in unserem Bewusstsein, könnte es nicht auch ein Zeitraum des Offline-Seins werden. Eine Zeit, in der wir uns von Displays, digitalen Geräten und medial gesteuerten Informationsvermittlern abtrennen. Fitness-Armbänder sollen aktuell den Menschen helfen, den Körper in Form zu bringen und uns fit zu machen. Ein neues wieder den Menschen unter Druck setzendes Medium, das uns ganztägig, körperlich und mental an die digitale Welt bindet. „Ich muss …“, heißt es dann wieder. Aber brauchen wir das? Ist das der Weg in unsere Zukunft und in wie weit kontrollieren so langfristig andere unser Wohlbefinden. Und wie lange bleibt es nur ein Armband – wann wird es ein Chip sein, den ich nicht ablegen kann.

Eine steigende Anzahl an psychisch Kranken, verursacht durch Überlastung ist kein Grund für neue Therapieansätze oder Medikamente, sondern ein Grund für ein Umdenken auf gesellschaftlicher und politischer Ebene. Im Prinzip ist der Burnoutpatient derjenige, der im besten Fall Einsicht gewinnt, sich der Dinge bewusst wird und der die eine Chance erhält, noch einmal bei Null anzufangen und sie zu nutzen. Das ist meine Meinung und ich glaube auch, dass man nur eine Chance hat. Diese eine Chance, die man nutzen sollte.

Burnout in den Medien – eine kritische Betrachtung

Über das Thema Burnout wird und wurde in den letzten Jahren durch annährend jedes Nachrichtenmagazin, jede Reportage Sendung und jede Zeitung mehrfach bis in die kleinsten Details berichtet. Die Ursachen, die Auswirkungen, die Hauptzielgruppen, die Hintergründe, die Wege raus aus der „Krankheit“ und wie man diese vermeiden kann – einfach alles, was damit zu tun hat. Sonderausgaben von Fokus, Spiegel oder GEO nehmen das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven unter die Lupe. Begriffe wie Volkskrankheit und Modediagnose verweisen auf das sich mehrende und über Berufsgruppen ausweitende Problem hin, das die westliche Gesellschaft in ihrem Wandel begleitet. Es werden Beispiele aufgeführt, die fast immer gleich ausfallen: Manager, Lehrer, Ärzte oder Anwälte. Dabei sind es schon lange nicht mehr nur die Akademiker und „Oberen“, die von beruflich verursachten Erschöpfungszuständen und Depressionen heimgesucht werden. Es sind auch die „kleinen“ Mitarbeiter, die Fußsoldaten, die ihr Soll im Beruf und im Privatleben erfüllen müssen. Diejenigen, die oft auch kein finanzielles Polster vorweisen können, geschweige denn eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Auch sie rennen so schnell sie können, versuchen Schritt zu halten und wollen ihre Ziele erreichen, um dem medial verbreitetet Optimalbild eines Bürger zu entsprechen. Einen sicheren, guten Job, ein gutes Einkommen, ein eigenes Haus oder eine Eigentumswohnung, ein neues Auto (möglichst größer als das des Nachbarn) und eine (äußerlich) glückliche Familie. Einfach und ruhig seiner Arbeit nachgehen, das Leben laufen lassen, ist heute nicht mehr möglich. Man muss schon mehr geben, um vorne zu bleiben.

 

Depression im Call Center

Depression im Call Center ist eine neue Erkenntnis der Süddeutschen Zeitung basierend auf einer Studie der Techniker Krankenkasse (Quelle: http://www.sueddeutsche.de/gesundheit/krankenkassenstudie-depression-im-callcenter-1.2323979, Stand 28.01.2015). Zentrales Thema war, dass die Anzahl der Krankheitstage mit der Diagnose Depression zwischen 2000 und 2013 deutlich zugenommen haben und dass insbesondere Call Center und Altenheim Mitarbeiter davon betroffen sind. Wenn man sich eine Statistik zum Thema Call Center Entwicklung in Deutschland anschaut Quelle: http://de.statista.com/statistik/daten/studie/36414/umfrage/anzahl-der-call-center-mitarbeiter-in-deutschland/, Stand 28.01.2015), erkennt man einen wichtigen Faktor. Während sich die Zahl der Call Center Mitarbeiter im Jahr 2000 noch auf 220.000 belief, sind es 2012 schon 520.000, also mehr als doppelt so viel. Hierbei muss mach noch hinzurechnen, dass sich diverse 1st- und 2nd-Level Call Center ab und an im Ausland befinden. Grund: Der Bedarf steigt stetig, sowohl für Inbound als auch für Outbound, die Anforderungen aber auch, wie ich durch eine ehemalige Tätigkeit für einen Dienstleister erfahren durfte. Schlagzahl, Erfolgsquote und Kompetenzen sind Ziele, die erreicht werden müssen. Durch meine Tätigkeit kenne ich auch die aktuellen Software- und Telefonielösungen für Call Center. Der Vorgesetzte kann jederzeit im Detail sehen, wer spricht, wer verfügbar ist, wie die Erfolgsquote des Einzelnen aussieht oder sich die detaillierten Statistiken der Teams ziehen und entsprechend reagieren bzw. optimieren. Er kann Anrufe per Klick zuordnen, aktiv mithören und bei Bedarf eingreifen. Er hat die volle Kontrolle über das Geschehen (http://www.hrm.de/fachartikel/neue-%C3%9Cberwachungsformen-in-call-centern:-zur-zul%C3%A4ssigkeit-von-stimmanalyse-und-%E2%80%9Ekeyword-spotting%E2%80%9D-11772, Stand 28.01.2015). Was dadurch entsteht, ist ein enormer Druck, der auf den Mitarbeitern lastet, auf den einen mehr, auf den anderen weniger. Jeder Mensch ist anders. Sind Erschöpfungsgefühl, Überforderung, Angst und Frust dann nicht nachvollziehbar? Statistiken sind Zahlen und sachliche Werte, die tatsächliche Hintergründe erst einmal leider verdecken. Würde eine schlecht bezahlter Call Center Mitarbeiter offen und ehrlich darüber sprechen, dass der Druck und Stress, der auf ihm lastet, zu hoch ist? Man arbeitet wohl nicht im Call Center, weil man hier seine Erfüllung und Berufung sieht. Man braucht einen Job und den will man nicht verlieren, auch wenn er schlecht bezahlt ist. Daher bin ich auch der Meinung, dass die Anzahl der Fehltage bei Call Center Mitarbeitern real durchaus höher ausfallen würde. Wenn man Angst um den eh schon befristeten und schlecht bezahlten Job hat und damit verbundene Existenzängste, versucht man die Fehltage so gering wie möglich zu halten. Das ist zwar nur meine Vermutung aber auf Basis dessen, was ich im Bekanntenkreis und durch diverse Kontakte erfahren habe, durchaus realistisch.

Ich selber habe noch nie in einem Call Center gearbeitet, aber eben für einen Dienstleister für technische Call Center Lösungen und was mir hier zu Ohren kam, war unfassbar. Outbound (Rausrufen)bedeutet mindestens 40 Anrufe pro Tag und natürlich mit Erfolgsanteil. Inbound (eingehende Anrufe) heißt natürlich Schlagrate und wir alle wissen, wie wir uns verhalten, wenn wir wegen einer Beschwerde bei einer Hotline eines Mobilfunkanbieters anrufen und nach langer Zeit in der Warteschleife bei einem aus unserer Sicht inkompetenten Mitarbeiter herauskommen. Wenn der Mitarbeiter mit uns fertig ist, hat er keine Pause, sondern muss ohne Pause das Lächeln für den nächsten schlecht gelaunten Anrufer aufsetzen und seine Pflicht erfüllen, dabei immer die Kontrolle des Vorgesetzten im Nacken, verbunden durch die auf maximale Kontrolle ausgelegte Softwarelösung. Mal eben Kaffee trinken geht nicht so einfach und wird immer über die Software und den Satus des Mitarbeiters getrackt – als Zeit in der Statistik des Einzelnen.

 

Wer ist Schuld

„Macht der Kapitalismus depressiv?“ ist der aktuelle Titel eines Artikels der Zeit (http://www.zeit.de/2015/02/kapitalismus-depression-untersuchung-studie, Stand 28.01.2015). Ein interessanter Artikel, der in gewisser Weise den Wandel unserer modernen Gesellschaft positiv als Chance für den Einzelnen ansieht. Eine psychosoziale Kapitalismuskritik sagt aus, dass der Kapitalismus für den Anstieg psychischer Erkrankungen verantwortlich sei, insbesondere der Depression. Hier gibt es zwei Diagnosen, die sich gegenüber stehen: „die Menschen litten an einer Überfülle von Freiheiten und Optionen“ und fallen auf diese Weise in die Depression und das Übermaß an Leistungsanforderungen, das den Menschen in die Krankheit führt. Eine Studie zeigt, dass es zwischen 1947 und 2012 keinen Anstieg von Depressionen gab, dass aber Ärzte immer mehr psychische Störungen diagnostizieren. Was ich selber miterleben durfte, ist, dass Ärzte die Diagnose Depression so lange, wie möglich oder generell vermeidet, denn für den Patienten kann die Diagnose spätere Folgen haben. Beispielsweise beim Abschluss einer Versicherung und damit für die langfristige Vorsorge. So die Information, die mir vorliegt. In meinem Fall leide ich nicht an einer Depression, sondern kämpfe mit Ängsten, die vorher Unsicherheit waren und zu meiner längeren Krankschreibung geführt haben – so gesehen wegen psychischer Störungen. Aber ich kann auch sagen, dass es nicht in dem Sinne der Kapitalismus ist oder war, der mich an diesen Punkt gebracht hat, sondern eine Kombination aus meiner Persönlichkeit, meiner Erfahrung und der Gesellschaft, insbesondere die der vergangen Jahre. Während man früher nur von den beruflichen Erfolgen, der nahen Freunde und Bekannten erfuhr, sorgen das Internet insbesondere soziale Medien wie Xing aber auch die zunehmenden Berichte in unterschiedlichen Medien für Einsicht in die Ziele und Erfolge anderer und damit für den persönlichen Wunsch oder auch Zwang nach mehr. Ein einfaches Beispiel: Ich male und zeichne schon seit vielen Jahren. Früher habe ich nur durch Printmedien, Ausstellungen und vielleicht noch durch Fernsehen Einblicke in die Fähigkeiten und Talente anderer Schaffender erhalten. Heute sorgen Portale, Blogs und soziale Medien für tägliche, fast stündliche Einblicke in die Arbeiten weltweit verteilter Kreativer. Genau das führt zu einem Druck, den man unbewusst aufbaut. Man will das können, was andere können. Das haben, was andere haben und zwar nicht nur mit Blick auf den Nachbarn oder Freund, sondern auch mit Blick auf Herrn und Frau M., die in einer Sendung bei RTL gezeigt werden.

Die Zeit schreibt weiter: „Einige Jahre lang war das Thema Burn-out ständig in den Schlagzeilen, und parallel dazu stieg die Zahl der entsprechenden Krankschreibungen rapide an. Inzwischen gehen die Fallzahlen, die von den Krankenkassen gemeldet werden, genauso rasant wieder zurück. Burn-out scheint also schon wieder aus der Mode zu kommen.“ Meine Meinung: Liegt es vielleicht daran, dass die Krankmeldungen anders diagnostiziert werden und man nur die körperlichen Symptome aufführt, die therapiert werden? Burn-out ist nur ein Name für das, was Betroffene unterschiedlich erleben. Ärzte lernen dazu und wissen, wie sie Patienten einordnen müssen. Im Artikel erklärt die Zeit bzw. die Verfasser die Differenzen zwischen realer und diagnostizierter Krankheitshäufigkeit durch frühere Fehldiagnosen, eine eher heutigen Krankheitsdiagnose bei Befindlichkeitsstörungen und der Veränderung der Ärzte im Umgang mit dem sogenannten „Diagnostischen Manual für psychische Krankheiten“. Nach diesem kann man psychische Krankheiten feststellen und darauf bezogen haben sich die Zahlen vervierfacht, so die Angaben. 1980 mussten eine Schlafstörung und damit verbundene Stimmungsschwankungen schon ein Jahr andauern, damit die Diagnose Depression gestellt wurde. Heute reichen schon zwei Wochen aus. Aus diesem Grund kann man eben nicht sagen, dass die Krankheit heute öfter auftritt, so die Zeit bzw. die Verfasser. Demnach haben sich eben die Krankheitsdiagnosen, die Art der Feststellung und die zeitlichen relevanten Aspekte verändert. Ein Glück hat die Medizin sich weiterentwickelt – ganz im Sinne des gesellschaftlichen Wandels.

Der Kapitalismus würde sich positiv auswirken auf die Menschen bzw. Gesellschaft, wenn man die Abnahme der Suizidraten betrachtet und eine subjektive Lebenszufriedenheit in drei Vierteln von 52 untersuchten Ländern. Es gibt zwischen 190 und 210 Länder, je nach Betrachtung. In welchen dieser Länder wurden Menschen befragt? Und welche Art von Menschen, in welchen Altersgruppen wurden wie befragt? Ist die Studie eine wirkliche Referenz? Es ist der berufliche Alltag, der den größten Einfluss auf unser westliches Leben hat – schon allein zeitlich. Er beeinflusst unseren Alltag und auch unser Privatleben. Er bestimmt, was wir verdienen, was wir uns leisten können und zum Teil auch, mit wem wir sozial Kontakt haben. Wie kann es sein, dass man Menschen im beruflichen Alltag immer mehr den Druck und die Last der beruflichen aber auch privaten Herausforderung anmerkt. Natürlich ist man heute durch die mediale Erwähnung sensibler für solche Themen aber man spürt auch die Veränderung.

Ich habe durch eine Arbeit an der Hochschule gelesen, dass laut einer Studie ein heutiger Arbeitnehmer im Durchschnitt 30 Emails erhält. Hinzu kommen Anrufe und Chats, die im beruflichen Alltag mehr und mehr zum Einsatz kommen. Smartphones sorgen für eine immer bestehende Verfügbarkeit in alle Richtungen. Eine persönliche Nachricht auf dem Handy lesen wir und die andere Seite kann sehen, dass wir sie gelesen haben und wartet entsprechend ungeduldig auf Antwort. Wir stehen fast schon in der Pflicht zu antworten. In meinen besten Zeiten haben ich als IT-Supportler einen Kunden am Telefon bearbeitet, einen per Webmeeting auf seinem Rechner und einen neben mir sitzend. Parallel klingelte mein Handy und mein Chat-Fenster poppt auf mit einer Anfrage eines Kollegen. Und damals gab es noch keine sozialen Medien oder Smartphones. Heute sieht die Sache schlimmer aus. Menschen beschäftigen sich mehr mit ihrem Beruf, nehmen gedanklich den beruflichen Alltag mit nach Hause, wissen, dass sie sich weiterbilden müssen, um ihre Position zu sichern oder auszubauen. Sie rennen. Hinzu kommen zunehmende Belastungen durch Verkehr, Lärm und andere Einflüsse. Eine junge Frau fragte einmal ihre Großmutter, warum es in ihrer Zeit dieses Phänomen nicht so häufig gab – die körperliche und seelische Erschöpfung. Die Großmutter hatte als Trümmerfrau Häuser gebaut und im Akkord geschuftet. Ihre Antwort: „Wir hatten ein klares Ziel“. Und genau das ist für uns nicht der Fall. Wir arbeiten, tun und machen, um immer weiter voran zu kommen, um am Ende vielleicht eine ruhige Zeit als Rentner zu verbringen. Das Handwerk dominierte früher deutlich. Der Handwerker hat ein Werk am Ende des Tages geschaffen, auf das er blicken kann. Er ist durch die sichtbare und greifbare Leistung besänftigt. Heute machen Dienstleistung, Handel oder Banken und Versicherungen den größten Teil der Wirtschaft aus. Die Menschen, die in Büros, vor Bildschirmen sitzen und im Zeitalter der Digitalisierung und totalen Beschleunigung das sichtbare und greifbare Ergebnis nicht erfahren können. Es ist nur eine virtuelle Besänftigung, die er erfahren darf. Mancher fällt dabei hin, wacht aber auch vielleicht auf und ändert etwas an sich und seinem Umfeld. Eine „subjektive Lebenszufriedenheit“ ist etwas, dass jeder Einzelne in Relation stellen muss, um diese zu bestimmen. Und ändert diese Zufriedenheit etwas an der beruflichen Belastung? Vielleicht stimmt ja die Bezahlung oder man akzeptiert die Dinge oder lügt der eine oder andere vielleicht?

„Selbst wenn in zeitgenössischen Gesellschaften das Leben in mancher Hinsicht anstrengender geworden sein mag und manche soziale „Stressoren“ zunehmen, nehmen auch die individuellen Kompetenzen und sozialen Ressourcen für Stressbewältigung und Problemlösung zu“ heißt es im Artikel der Zeit. Die Verfasser: Dr. habil. Martin Dornes ist Soziologe und Entwicklungspsychologe. Dr. habil. Martin Altmeyer arbeitet als Psychologe und Psychotherapeut. Meine Herren: Meinen Sie, dass Sie verstehen können, wie es einem durchschnittlichen Menschen und entsprechenden Arbeitnehmer geht? Einem Call Center Mitarbeiter, einem normalen Büroangestellten, einem LKW-Fahrer oder einem Paketzulieferer im Auftrag eines Subunternehmens? Wie solche Menschen ihren Alltag und ihr Privatleben real bewältigen? Haben Sie je in ihrem Leben (abgesehen von einem Studentenjob) einen „normalen“ Job gehabt? Mit Termindruck, einem Vorgesetzen im Nacken, Meetings, Projektzielen, Sollzahlen oder Umsätzen? Wissen Sie, wie es ist, wenn Zahlen nicht stimmen, Zeitfenster nicht eingehalten werden konnten? Ich finde, dass man bei Dingen nur mitreden kann, wenn man sie selber real erlebt und gefühlt hat. Weiß, wie es ist und zwar ohne Absicherung nach hinten. Ich habe einen guten Freund, der Ende 40 ist, gelernter Forstwirt und dann IT-Quereinsteiger wurde in einer Zeit, als die IT noch jeden annahm, der einen PC bedienen konnte. Heute rennt er von einem befristeten Job in den nächsten und er muss weiter rennen so gut es geht, engagiert und mutig. Ich kenne Menschen, die 21 Urlaubstage akzeptieren, weil sonst ein anderer ihren Job bekommt. Gesetzliche Regelungen zählen hier nicht.

„Wo innere und äußere Festlegungen nachlassen, steigen die Anforderungen an die eigene Selbststeuerungsfähigkeit, aber auch die Gestaltungs- und Freiheitsspielräume des Einzelnen. Daran kann man scheitern. Aber es gibt keine überzeugenden Belege dafür, dass eine wachsende Anzahl der Menschen damit seelisch überfordert wäre.“ Natürlich gibt es die nicht, weil man heute, mehr denn, je gezwungen ist jede Schwäche zu unterdrücken. Hinzu kommen die typischen Deutschen, die eh auf Sicherheit geeicht sind. Bloß kein Risiko eingehen – Sicherheit geht vor. „Gestaltungsfreiheit“ nennen sie es. Die gab es früher auch, nur anders. Zur Zeit meiner Eltern konnte man noch einen bestimmten Job annehmen, obwohl man nichts Entsprechendes gelernt hat. Das ist heute annähernd unmöglich. Vergleicht man eine Stellenausschreibung von heute mit einer Version von 1970, sieht das bestimmt anders aus. Die Freiheit ist also hier relativ und eben doch auch begrenzt durch das „Muss“ oder „Soll“ ein Einkommen zu haben und andere gesellschaftliche und soziale Faktoren.

In manchen Fällen kollabiert das System dann. So auch bei mir. Und es ist eben der berufliche Alltag, der hier dominiert, am meisten Platz einnimmt. Wir verbringen im Job den Großteil unserer „Wachphase“ den gedanklichen Anteil auf der Heimfahrt oder am Morgen nicht eingeschlossen.

Die Weltgesundheitsorganisation hat psychischer Belastungen bei der Arbeit, also auch Stress und Druck, zu einem der größten Gesundheitsrisiken des 21. Jahrhunderts erklärt. Nur aus Spaß oder weil sie keine andere Idee hatten? Wir müssen schneller, besser und effizienter arbeiten, immer größere Ziele erreichen, immer mehr können und wissen. Der Takt nimmt dabei stetig zu und mancher oder auch viele können diesen Takt irgendwann einmal nicht mehr halten. Wenn dann noch private Probleme unerwartet auftreten, ist ein harter Kampf. Ist das wirklich Freiheit?

Unternehmen, Staat und Politik aber auch der Einzelne für sich stehen hier in der Verantwortung. Dem Leben wieder eine gute, zukunftsorientierte Basis zu geben.